Angebote und Versprechen

Ich weiss nicht genau, ob das Wort Angebot in dem Sinn wie man es im Theater verwendet vom Improvisationstheater kommt. Jedenfalls ist damit jeder szenische Vorschlag gemeint und es ist sehr wichtig, Vorschläge anzunehmen. 
Als Schauspielschüler war das richtig schwierig für mich. Wie oft wollte ich schlauer oder kreativer sein als mein Szenepartner oder fand einen Vorschlag nicht gut. Inzwischen ist das Vorschlagannehmen mir ziemlich in Fleisch und Blut übergegangen, aber es klappt trotzdem nicht immer. Wenn ich etwas schreibe, frage ich mich deswegen im nächsten Lese-Durchgang, ob da noch irgendwo ein Vorschlag (von mir selbst) steckt, den ich nicht angenommen habe. 
In diesem Abschnitt hier sind die Frage nach der Sehnsucht und die Beschreibung des Orts solche Vorschläge. 
Darüber hinaus gibt es Versprechen gegenüber dem Publikum, Vorschläge, die zu einem späteren Zeitpunkt eingelöst werden müssen. Im Chortext steckt ein Versprechen, nämlich die endgültige Gewissheit, die erwartet wird. Was das sein wird, ahne ich im Moment selbst mehr als dass ich es weiss.
1) 		Hast du Sehnsucht?
2) 		Ja. 
1) 		Du.
2) 		Und du.
1)		Ich seh dich ganz klar.
2) 		Und ich dich. Gegens Licht.
1) 		Wenn Gegenlicht, dann scheint die Sonne.
2) 		Ja.
1) 		Dann ist es Nachmittag.
2) 		Herbst
1) 		Ein goldener Tag.
2) 	        Wie wir das vergessen konnten, dass die Sonne so   
                mild tun kann.
Chor 	Und wir warten. Und schauen dem Staub zu. Weil 
                da so eine Ahnung ist, dass da wer kommen wird. 
                Oder was. Das, was wir längst schon wissen, 
                erwarten wir heute. Eine endgültige Gewissheit, 
                das, was vor der Geburtsurkunde eingetragen 
                wurde für uns. Wahrscheinlich ist das der Ort der 
                Vorfahren. Wir kennen ihn und irgendwie nicht. 
                Vielleicht kommt der Staub uns hier bekannter vor 
                als anderswo.

Protagonisten und Namen

Im Moment haben meine Protagonisten keine Namen (siehe Beitrag "Start"), sondern sie sind mit den Zahlen 1 und 2 gekennzeichnet. Meine früheren Mentoren hätten mich schon längst aufgefordert, über Namen nachzudenken, weil eine Geschichte immer konkrete Menschen braucht. Und ich denke auch über Namen nach, aber ich vergebe erst mal noch keine (ich habe jetzt etwa 10 Seiten Dialog geschrieben). Als Ausrede für mich selbst nutze ich eine Analogie, nämlich, dass viele Eltern ja auch nicht gleich am Anfang einer Schwangerschaft einen Namen für das noch nicht geborene Kind festlegen. 
Gleichzeitig bedeuten 1 und 2 auch etwas für mich. 
In Ungarn gibt es eine Registernummer oder Personalnummer, für jede gemeldete Person. Die Nummer endet entweder mit 1, wenn die Person männlichen Geschlechts ist, oder 2, wenn es sich um eine weibliche Person handelt (auch Kinder erhalten diese Nummern). Als ich die Logik das erste Mal erklärt bekommen habe, war ich ziemlich schockiert. Ich musste sofort daran denken, dass es Bürger erster und zweiter Klasse gibt. Die Reaktion überrascht vielleicht nicht, wenn man daran denkt, dass ich als Aussenstehende in ein fremdes Land gekommen bin - Dinge, die Einheimischen ganz normal vorkommen, waren äußerst seltsam für mich. Und weil sich niemand groß etwas dabei denkt, ist es auch so schwierig, etwas "Normales" zu thematisieren. Auch kann und will ich nicht behaupten, dass Ungarn in Sachen Gleichberechtigung hinter anderen Ländern hinterherhinkt.
Aber weil die 1 für mich für Angehörige einer priviligierten und die 2 für Angehörige einer gesellschaftlich marginalisierten Gruppe steht, halte ich vorerst an den Zahlen fest. Mal sehen, wann ich mich für Namen meiner Protagonisten entscheiden muss.  

Chor

In dem Stück geht um den schleichenden Prozess, wie sich zwei Personen immer mehr voneinander entfernen. Es geht um die Risse in der Intimität, die erst noch gekittet werden können, aber mit der Zeit gelingt das immer weniger. Ich möchte den beiden Protagonisten einen Chor gegenüberstellen. Einerseits kann ich so einen gesellschaftlichen Kontext herstellen, Zusammenhalt darstellen, aber auch Bruchstellen. Gleichzeitig finde ich es nicht einfach, eine Stimme für eine Gruppe herauszuarbeiten, ohne grob zu verallgemeinern.
Aus diesem Grund interessiere ich mich für den Chor in griechischen Dramen. Besonders interessiert mich der emotionale Gehalt und der Einfluss aufs Geschehen und aufs Publikum. 
My summer reading

Start

Starting stories is easy for me. Typically, I start with a feeling or a mood. Sometimes, this will be strong enough to carry on, sometimes it will be too fragile to continue working on it. It is worthwhile introducing constraints, but sometimes they will come by themselves. Names, for example, mean introducing a constraint. Sometimes, this will be very helpful, sometimes it is too early to engage in names. This is such a starting dialogue.

1) Regenwürmer auf den Tisch
2) Das ist eklig.
1) Proteinreich.
2) So schlimm kann es doch noch nicht sein, oder?
1) Es gibt noch ein paar Weizenkörner.
2) Ich weiss nicht, ob ich die malen kann.
1) Quellen lassen.
2) Vielleicht.
1) Also irgendwas muss sein.
2) Dann Weizenkörner.
1) Du kannst auch...
2) Nein, kein Problem.
1) Das nächste Mal kannst Du ja...
2) Ist das Wasser sauber?
1) Sieht so aus.
2) Schade, dass man Wasser nicht waschen kann.
1) So ein Quatsch. Abkochen.
2) Stimmt. Halt den Tauchsieder rein
1) Mir gefällt das, wenn sich da Pilzköpfe bilden
2) Weisst Du noch? Spaghetti mit Tauchsieder kochen.
1) Ja.
2) Wo waren wir da noch mal?
1) Ist doch egal.
2) Würd ich gern noch mal.
1) Denk nicht dran.
2) Hat es Dir nicht geschmeckt?
1) Denk nicht dran, sag ich.
2) Kohlenhydrate...
1) Du weisst, dass die, die während einer Hungersnot über Essen phantasieren als Erstes sterben.
2) Sagt wer?
1) Hab ich gelesen.
2) In diesem Mäusekothaufen von Zeitungen?
1) Früher.
2) Da war kein Hunger.
1) Ich hab es trotzdem gelesen.
2) Wieso liest du Dinge, die nicht relevant sind?
1) Ich kann nicht anders.
2) Übers Jagen zu lesen, heißt ja nicht jagen zu können.
1) Über Hunger zu lesen, heißt nicht, dass man Hungern kann, willst Du sagen.
2) Ja.
1) Das Wasser kocht. 10 Minuten.
2) Ja, ja.
1) Zähl schon.