Was hat mir 2022 gebracht?

In einem Podcast habe ich neulich die Frage gehört, was im vergangenen Jahr den Interviewten dazu gebracht hat, eine Perspektive zu überdenken. Mir hat die Frage auch zu denken gegeben. 2022 hat mir viele neue Einsichten beschert, manchmal ganz nebenbei, manchmal, weil ich auf der Suche nach einer Antwort war.

Ich glaube, dass ich in einer Rezension über Ralf Rothmanns Buch „Die Nacht unterm Schnee“ die Feststellung las, das Autoren am Besten Geschichten erzählen können, die ihre eigenen sind. Mich hat diese Feststellung erleichtert. Denn mir wurde schon die Frage gestellt, ob es therapeutisches Schreiben ist, was ich betreibe. Und manchmal gibt es ja auch den unausgesprochenen Vorwurf des Seelenstriptease an Autoren.

Per Zufall fand ich auf Facebook (ja, da gibt es auch manchmal Einsichten, trotz allem Quark) einen Post einer Lehrerin für kreatives Schreiben, die ermutigend in etwa Folgendes sagte: Schreiben Sie. Ob es andere lesen werden, ist zweitranging. Aber die Dinge, die Sie durch das Schreiben entdecken, werden die Mühe wert sein.

2022 habe ich überhaupt erst wieder angefangen zu schreiben, nach Jahren der Pause. Es sind Gedichte entstanden, die Rohfassung eines Theaterstücks (die Arbeit geht weiter) und dieser Blog. Ich bin gespannt, was als Nächstes kommt.

Die alte Frau Rose und der Winter

Die alte Frau Rose seufzt und richtet sich auf. Sie hat die Blätter des Birnbaums zusammengerecht. Der Rücken tut ihr weh. Und die Knie. Sie blickt zum Himmel. Der Wind ist aufgefrischt. Es ist kalt geworden. Weiße Wolken wehen vor dunkleren Wolkenwänden daher. Es ist Zeit hinein zu gehen. Die Nachbarn haben ihr angeboten, dass sie noch ein paar Walnüsse sammeln kann, ehe der Winter kommt und die Nüsse für die Eichhörnchen liegen bleiben müssen. Aber das kann die alte Frau Rose nun wirklich nicht. Sie räumt den Rechen in den Schuppen. Dann geht sie ins Haus. Bei jedem zwiten Schritt spürt sie einen kleinen Stich im Knie. Sie zieht die Haustür zu. Erst da merkt sie, dass sie ein wenig außer Atem ist. Ihre Haare sind zerzaust. Sie zieht ihre Jacke aus, schlüpft in ihre Pantoffeln und geht ins Wohnzimmer. Dort setzt sie sich an den Kachelofen. Die Wärme tut ihren kalten Knochen gut. Die Füße legt sie auf einen Schemel. Und weil auch das so gut tut, nickt sie ein. 
Als sie die Augen öffnet, ist es schon dunkel geworden. Aber die Fenster leuchten richtig im Dunkeln. Sie steht auf, und geht an eins der Fenster und sieht, dass es angefangen hat zu schneien.
Die alte Frau Rose ist eine Figur in dem Kinderbuch von Quint Buchholz. Das Buch schafft es, einen Kindertag ganz ruhig und genau zu beschreiben.

Die alte Frau Rose ist eine Nebenfigur in dem Buch von Quint Buchholz. Bei uns hat sie schon viele Abenteuer erlebt, weil sie es mit ihrer ruhigen, gelassenen Art immer schafft, die Ängste, die zwischen Licht aus und Schlafen hoch kommen, zu besänftigen.

Wenn die Kinder sich eine alte-Frau-Rose-Geschichte wünschen, dürfen sie sagen, um was die Geschichte gehen soll. So entstehen die Titel. Mehr habe ich nicht, wenn ich anfange, die Geschichte zu erzählen. Die Geschichten sind kurz und einfach. Und weil ich am Ende oft selbst einschlafe, schreibe ich auch nur einen Bruchteil dieser Geschichten auf. Aber das Ziel, dass Ruhe und Frieden im Kinderzimmer einkehrt, erreichen wir jedes Mal.

Lost in Logic

These days, I had the great opportunity to facilitate virtual improvisation workshops for colleagues. If you have looked at my bio, you may not be surprised to read that I love using impro for theatre and training alike. In training, it enables openly exchanging experiences and learning from one another beyond the cognitive space.

During the training, I invited colleagues to ask and answer silly questions. The questions are silly enough for this exercise, if there is no logical answer. My favorite question out of the series of workshops raised by a colleague was  "why do ducks hold umbrellas?".  Silly questions should make it very simple for colleagues to answer them, because the question of right and wrong should not come to anyone's mind. In other words, it should be easy to go with the first thing that comes to your mind.

However, one colleague admitted that he was having issues to let go of logic and simply follow the first idea. In impro such a behavior is called censoring yourself. Everyone of us does it to some degree and it can be quite frustrating, when you are experimenting with impro. 

So what if you are lost in logic? After recognizing and acknowledging that you have a hard time with letting go without accusing yourself, try start tricking yourself out of that well-defined space as often as you can. 

I recommend deliberatly opening your focus whenever possible. This is a question of practice, so if things don't work out right away, don't get hung up on yourself. You can try seeing things, which are on the edges of your gaze without moving the eyes. Go for physical movement, if you are trying to solve a logical task, and go for logical challenges, while you are exercising. 

You may find over time that you can solve tasks with more easy, react quicker and more spontaneously.Most important of all: Make it fun. If you can laugh at your failures - fantastic! 

I find no rule in impro as liberating and as challenging as this one: Fail. Fail again. Fail better. And be ready for the next round of this.
©Mark König on Unsplash

Weitermachen

Nicolas	Helene, der Laden ist dicht! 
                Endlich werde ich abends bei 
                dir sein, mein Engel!
Helene	Das ist eine Überraschung.
Nicolas	Urlaub zu Hause. Endlich werde ich 
                genug Zeit für alles haben.
Helene	Bin ich alles?
Nicolas	Du bist großartig.
Helene	Du auch.
Nicolas	Jetzt muss ich mal was 
                grundlegend anders machen. Das 
                machen, was ich immer schon 
                machen wollte. Die Bar ist zu, friss 
                oder stirb, aber ich werde jetzt...
Helene	Schwimmen?
Nicolas	Mach dich nicht lustig. 
Helene	Entschuldige.
Nicolas	Ich werde mich jetzt endlich der 
                Kunst widmen.
Helene      Ausgerechnet jetzt?
Nicolas	Pst. Hörst du?
Helene	Was soll ich hören?
Nicolas	Nichts, eben, nichts hören.
Stille.
Helene	Ich höre nichts.
Nicolas	Perfekt!
Stille	Und?
Nicolas	Das ist total dicht. Es ist nicht 
                nichts, was du hörst. Ich höre 
                alle Möglichkeiten, die aus dem 
                Nichts werden können. So muss es     
                für Haydn gewesen sein, was Haydn 
                gehört hat, als er die Schöpfung 
                schrieb.
Helene	Haydn?
Nicolas     Hab ich mal gelesen.
Helene      Ach so.
Nicolas	Ein großes Einatmen.
Stille.
Nicolas	Das ist doch Wahnsinn. Ich spüre 
                alles, was da in dem Nichts 
                angelegt ist.
Helene	Wahnsinn.
Nicolas	Nein, nein. Ich spüre die Dichte. 
                Schau mal geradeaus. Was siehst 
                du?
Helene	Eine Wand.
Nicolas	Und vor der Wand?
Helene	Nichts.
Nicolas	Und das ist eben trügerisch. Weil 
                die Luft, die zwischen dir und der 
                Wand ist, ist ja auch. Aber du siehst 
                sie nicht.
Helene	Sie ist ja auch durchsichtig.
Nicolas	Sagst du. Ich sage: Unsere Augen 
                sind nicht gut genug. 
Helene lacht.
Nicolas	Du nennst das die Luft nichts, weil 
                du sie nicht siehst. Dabei lebst du 
                genau davon, dass du sie einatmen 
                kannst.
Helene	Und aus.
Nicolas	Ja, ja, klar. 
©Radu Florin on Unsplash
Eine begonnenes Stück zu überarbeiten finde ich schwieriger als mit einer leeren Seite anzufangen. Wenn ich ein Stück mit einem Gebäude vergleiche, dann ist jeder Satz ein Baustein. Aber jeder Baustein hat eine andere Form. Deswegen kann man die Sätze nicht beliebig tauschen und an der gleichen Stelle rauskommen.
Bei Nicolas und Helene habe ich einen neuen Anfang (ein neues Fundament) gewählt. Ich will zeigen, was die beiden aneinander haben, ehe der Zerfall einsetzt. 
Die Herausforderung ist nun, den hoffnungsfrohen Anfang mit der Endzeitstimmung der Rohfassung zusammen zu bekommen.